Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Das Lyrische Quartett vom 29.04.2015
Mit Gast Florian Kessler
In seiner ersten Ausgabe im Jahr 2015 begrüßte das Lyrische Quartett mit Florian Kessler seinen bisher jüngsten Gast, der zu Beginn auch gleich den jüngsten zu besprechenden Autor des Abends präsentierte: Max Czollek, dessen zweiter Band „Jubeljahre“ unlängst im Berliner Verlagshaus J. Frank erschienen ist. „Äußerst gemischte Gefühle“ habe er bei der Lektüre gehabt, sagte Kessler, Kulturjournalist und seit Kurzem Lektor bei Hanser, er finde das Buch „sehr gut und sehr schlecht“. Grund dafür sei aber nicht ein sich abwechselndes Gelingen und Misslingen der Gedichte, die sich rezent mit deutscher Vergangenheit und jüdischer Tradition auseinandersetzen. Vielmehr gehe es um Diversität und darum zu zeigen, dass es „keine geschlossene Weise gibt, über den Nationalsozialismus zu sprechen“. Kessler beobachtete ein Bestreben, „möglichst wenig hermetisch“, aber auch „möglichst unkomfortabel“ zu sein. Heinrich Detering teilte die gemischten Gefühle, konnte sie aber nicht auf einen Nenner bringen: „Unbeholfenes Poetisieren“ und „sehr gute Stellen“ stünden in harter Fügung nebeneinander. Kristina Maidt-Zinke wurde noch deutlicher: Der Band „kann einiges, will viel“, dabei seien aber „selbst die Widerborstigkeiten zu glatt“.
Allgemeiner gestaltete sich die Diskussion über Marcel Beyers neuen und überaus umfangreichen Gedichtband „Graphit“, der bei Suhrkamp erschienen ist. Detering sagte, „die Raffinesse, aber vielleicht auch die Problematik“ dieser Gedichte, in denen es ebenfalls viel um Geschichte geht, sei ihr Anspielungsreichtum. Man finde hier eine „albtraumhafte Dichte der Ebenen“. Einerseits stünde man mit Staunen und Bewunderung vor einem Kunstwerk, das „elementaren Respekt“ verdient. Andererseits herrsche auch eine gewisse Ratlosigkeit vor angesichts der so „ungeniert vorgetragenen Esoterik“. Das spitzte Harald Hartung weiter zu: Würde man nicht alle Referenzen erkennen, stünde man „wie der Ochs vorm Berg“. Hartung fragte, „ob es nicht an der Zeit wäre, die Hermetik den Oberseminaren zu überlassen“. Florian Kessler hielt dagegen: Beyers Überreferenzialisieren bedeute für ihn eine sehr sinnliche Erfahrung, „man steht wie das Kind vorm Erwachsenengespräch“. Man verstehe vieles nicht, sei aber interessiert, lasse sich auf Fährten führen und lerne viel.
In der Folge beobachtete Hartung bei Lars Gustafsson die Fähigkeit „etwas so klar zu sagen, dass es wie ein Rätsel wirkt“, und Maidt-Zinke stellte Elisabeth Borchers‘ Gedicht „eia wasser regnet schlaf“ vor, das 1960 einen heute kaum noch nachvollziehbaren Skandal ausgelöst hatte. Das alles können Sie wie immer hier in Gänze nachhören:
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