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Erich Kästner

Man lese,

wenn das Alter traurig stimmt - wenn man der Armut begegnet - wenn die Besserwisser ausgeredet haben - wenn man das Dasein überschaut - wenn die Ehe kaputtgeht - wenn man die Einsamkeit schwer erträgt - wenn man Erziehung nötig hat - wenn man zur Faulheit neigt - wenn vom Fortschritt die Rede ist - wenn man in der Fremde hockt - wenn der Frühling im Anzug ist - wenn man an Gefühlsanämie leidet - wenn man wenig Geld hat - wenn das Glück zu spät kommt - wenn uns die Großstadt zum Hals heraushängt - wenn man an Heimweh leidet - wenn es Herbst geworden ist - wenn man an die Jugend denkt - wenn man Kinder sieht - wenn Krankheiten quälen - wenn man zu wenig von Kunst versteht - wenn der Lebensüberdruß regiert - wenn die Liebe entzweiging - wenn man etwa ein junges Mädchen ist - wenn man an die Mutter denkt - wenn man die Natur vergessen hat - wenn sich Probleme melden - wenn man auf Reisen geht - wenn das Selbstvertrauen wackelt - wenn man vom Schlaf Trost erwartet - wenn man Träume gehabt hat - wenn man Unrecht tut oder duldet - wenn schlechtes Wetter ist - wenn der Winter dräut - wenn man glaubt, daß Wohltun Zinsen bringt - wenn man sich über Zeitgenossen geärgert hat. (Gebrauchsanweisung von A bis Z aus Doktor Erich Kästners Lyrischer Hausapotheke - die Seitenzahlen der jeweils empfohlenen Gedichte wurden weggelassen)

Kurzgefaßter Lebenslauf

 

Wer nicht zur Welt kommt, hat nicht viel verlo-ren.

Er sitzt im All auf einem Baum und lacht.

Ich wurde seinerzeit als Kind geboren,

eh ich´s gedacht.

 

Die Schule, wo ich viel vergessen habe,

bestritt seitdem den größten Teil der Zeit.

Ich war ein patentierter Musterknabe.

Wie kam das bloß? Es tut mit jetzt noch leid.

 

Dann gab es Weltkrieg, statt der Großen Ferien.

Ich trieb es mit der Fußartillerie.

Dem Globus lief das Blut aus den Arterien.

Ich lebte weiter. Fragen Sie nicht, wie.

 

Bis dann die Inflation und Leipzig kamen.

Mit Kant und Gotisch, Börse und Büro,

mit Kunst und Politik und jungen Damen.

Und sonntags regnete es sowieso.

 

Nun bin ich beinah 40 Jahre

und habe eine kleine Versfabrik.

Ach, an den Schläfen blühn schon graue Haare,

und meine Freunde werden langsam dick.

 

Ich setze mich sehr gerne zwischen Stühle.

Ich säge an dem Ast, auf dem wir sitzen.

Ich gehe durch die Gärten der Gefühle,

die tot sind, und bepflanze sie mit Witzen.

 

Auch ich muß meinen Rucksack selber tragen!

Der Rucksack wächst. Der Rücken wird nicht breiter.

Zusammenfassend läßt sich etwa sagen:

Ich kam zur Welt und lebe trotzdem weiter.

„Ich kam zur Welt und lebe trotzdem weiter“

Lesung zum 100. Geburtstag von
Erich Kästner

mit

Stefan Hoffmann

 

Einführung: Dr.Andreas Bode

Vorstandsmitglied der Erich-Kästner-Gesellschaft e.V.

Donnerstag­, den 17.06.1999
20:00 Uhr

Vortragssaal der Stadtbibliothek Am Gasteig

Im Anschluß an die Lesung laden wir ein zu einem Glas Wein.

Eintritt: DM 15,- / DM 10,-
Karten über München Ticket, Tel: 54 81 81 81