Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
„Wenn es für Lyrik ein unentäußerbares Gesetz gibt, heißt es: Konzentration, Kondensation. Intensität; […] der Lyriker muß mit vier Zeilen einen Mann umlegen können“, so Peter Rühmkorf (1929-2008). Rühmkorf selbst hat diese Poetik mit souveränster Formenlust und einem mitreißend-unverwechselbaren Sound eingelöst – die FAZ nannte ihn 2008 den „bedeutendsten deutschsprachigen Dichter der 2. Hälfte des 20 Jahrhunderts“. Die textkritische Oevelgönner Ausgabe der Sämtlichen Werke Peter Rühmkorfs wird (seit 2022) herausgegeben von Susanne Fischer, Hans-Edwin Friedrich und Stephan Opitz im Auftrag der Arno Schmidt Stiftung – in Verbindung mit dem Deutschen Literaturarchiv Marbach. Soeben ist nun ihr erster Band zum Lyrischen Werk erschienen. Der Abend bietet einen Querschnitt, wobei die hier erstpublizierten sehr frühen Gedichte einen eigenen Schwerpunkt bilden. Es lesen: Stephan Opitz, Germanist an der Universität Kiel und Testamentsvollstrecker von Peter Rühmkorf, Bernd Rauschenbach, Rezitator und Vorstand der Arno Schmidt Stiftung, und der Literaturwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma, Vorsitzender des Vorstandes der Arno Schmidt Stiftung.
Eine Kugel hast du ausgerollt
darin satt die vollen Farben prassen
und zu ihrer ärmsten sprachst du Gold
und du hast sie ganz allein gelassen
Nur ein flinkes Glas fliegt sie hinaus
und nun singt sie Leben, Leben, Leben.
Tausend Kugeln streust du täglich aus
Tausenden hast du den Schrei gegeben
Und du wartest, bis sie leis verrollt
atmend noch die Wärme deiner Hände
Leis erlischt der letzte Tropfen Gold
und dein Farbenspielwerk ist zu Ende.
Peter Rühmkorf, Sämtliche Werke (Oevelgönner Ausgabe), hg. von Susanne Fischer, Hans-Edwin Friedrich und Stephan Opitz, Abteilung I: Das literarische Werk, Band 1: Gedichte 1 (1946–1962), Wallstein 2024, S. 60.