Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Schon bevor das große Celan-Jahr 2020 einsetzt – mit den Jahrestagen seines 100. Geburtstags und 50. Todestags – wendet sich das Lyrische Quartett unter anderem diesem Dichter zu. Celans Band Mohn und Gedächtnis (1952) wird an diesem Abend dem ‚Haltbarkeitstest‘ unterzogen; ebenso passioniert, kundig und eloquent werden drei lyrische Neuerscheinungen vorgestellt. Gast der Runde ist diesmal Christian Metz (geboren 1975). Von 2003-2010 war er Geschäftsführer des Graduiertenprogramms „Buch- und Medienpraxis“ an der Goethe-Universität Frankfurt. Dort promovierte er über die Liebesliteratur der Romantik und habilitierte sich 2015 mit Kitzel. Studien zur Kultur eines menschlichen Reizes. Derzeit vertritt Metz in Frankfurt die Professur für Ästhetik und die Literaturgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts. 2018 erschien von ihm der Band Poetisch denken. Die Lyrik der Gegenwart (S. Fischer), der seither immer wieder als wichtiger Beitrag zur Theorie des heutigen Lyrikpanoramas zitiert wird. Metz schreibt regelmäßig Literaturkritiken für die FAZ.
CORONA
Aus der Hand frißt der Herbst mir sein Blatt: wir sind Freunde.
Wir schälen die Zeit aus den Nüssen und lehren sie gehn:
die Zeit kehrt zurück in die Schale.
Im Spiegel ist Sonntag,
Im Traum wird geschlafen,
der Mund redet wahr.
Mein Aug steigt hinab zum Geschlecht der Geliebten:
wir sehen uns an,
wir sagen uns Dunkles,
wir lieben einander wie Mohn und Gedächtnis,
wir schlafen wie Wein in den Muscheln,
wie das Meer im Blutstrahl des Mondes.
Wir stehen umschlungen im Fenster, sie sehen uns zu von der Straße:
es ist Zeit, daß man weiß!
Es ist Zeit, daß der Stein sich zu blühen bequemt,
daß der Unrast ein Herz schlägt.
Es ist Zeit, daß es Zeit wird.
Es ist Zeit.
Paul Celan, aus: Mohn und Gedächtnis. Mit einem Nachwort von Jan Bürger [Faksimile der Erstausgabe 1952], DVA 2012, S. 33