Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Langsamer träumen! denke ich und sehe /
mich nach Deckung um
Aber vielleicht ist auch Gott, wie die Vernunft, /
nur für wenige.
Münchner Reden 6
Lucian Hölscher
Ausgehend von dem Gedicht »Wenn ich ein Vöglein wär'« aus dem 18. Jahrhundert widmet Lucian Hölscher sich grundsätzlichen Fragen nach den verschiedenen Formen der Aneignung des Fernen und Fremden in Religion, Geschichte und Dichtung der Neuzeit. Seine besondere Aufmerksamkeit gilt dabei dem Verhältnis von historischen und poetischen Wirklichkeitskonstruktionen: »Um also noch einmal ganz pointiert zu sagen, was den Unterschied ausmacht: Die historische Wirklichkeit muss sich in immer neuen Geschichten zur Sprache bringen, um wahr zu bleiben. Das Gedicht, das Lied, sie tragen ihre Wahrheit in ihrer Form, ohne sie wären sie nichts.«
Lucian Hölscher, geb. 1948 in München, ist Professor für Neuere Geschichte und Theorie der Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Seit 1999 ist er Vorsitzender des Kuratoriums des Instituts für Genozid- und Diasporaforschung an der Ruhr-Universität Bochum, seit 2002 Mitglied des Senats der Ruhr-Universität Bochum, seit 2006 Mitglied der Forschergruppe 262 (Transformation der Religion in der Moderne). Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören gesellschaftliche Zukunftsentwürfe, historische Raum- und Zeitkonstruktionen sowie sprach- und religionsgeschichtliche Themen.
Münchner Reden zur Poesie
Die Reihe widmet sich poetologischen Fragen und dokumentiert zugleich die Bedeutung, die der Dichtung in verschiedenen Bereichen der Gegenwartskultur zukommt. Die Reden werden ein- bis zweimal jährlich gehalten. Sie wurden begründet von Ursula Haeusgen und Frieder von Ammon und werden herausgegeben von Holger Pils und Frieder von Ammon.