Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Langsamer träumen! denke ich und sehe /
mich nach Deckung um
Aber vielleicht ist auch Gott, wie die Vernunft, /
nur für wenige.
Münchner Reden 14
Ulrike Draesner
Die fünfte Dimension
In ihrer „Münchner Rede“ spürt Ulrike Draesner der Poesie nach, und zwar mit einer dieser Gattung angemessenen „Geste des Suchens, die Segmente, Kreise, Ordnungen überspringt“ und damit auch über die Methoden der Philosophie, Hermeneutik oder Literaturgeschichte hinausführt. Die zentrale Frage lautet dabei: Wie kommt, in Sprache, etwas Neues in die Welt?
Ulrike Draesner nimmt auf eine Reise in den Entstehungsprozess eines Gedichtes mit. Sie untersucht, wie Stimme, Lautung und Bedeutung sich zueinander verhalten. Sie bezieht naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu Empathie und Imaginatiion ein. Wie stellen wir uns die Verbindung zwischen Körper und Sprache vor? Und wie erfahren wir sie dank der Poesie? Gedichte afrikanischer Buschmänner, Klicklaute, Spracherwerbsprozesse von Kleinkindern.
Poesie: Reisen zu jenen heimlich/unheimlich Orten, an denen wir etwas wissen, ohne es (wörtlich) sagen zu können.
Poesie: Immer prozessual. Schriftlich fixiert, als gesprochene Sprache. Das Vermögen, Menschen sowohl gedanklich als auch sinnlich in einer Geste, einem Namen, zu berühren.
Auf dem Weg: Mitnehmdefinitionen, zum Erproben. Poesie, unsere fünfte Dimension. Der Weg: eine Suche, die philosophische und sprachanalytische Traditionen aufruft und erweitert. Der Horizont: die Schönheit eines Gedichtes.
Poesie: Sprache, in Erfindung gekippt. Schön, mit menschlichem Mal.
Ulrike Draesner, geboren 1962 in München, ist Lyrikerin, Prosaautorin und Essayistin. Von ihr erschinen – neben dem Sonettkranz anis-o-trop (1997) – bisher fünf Lyrikbände: gedächtnisschleifen (1995), für die nacht geheuerte zellen (2001), kugelblitz (2005), berührte orte (2008) und subsong (2014).
Hinzu kommen zahlreiche Romane, zuletzt Sieben Sprünge vom Rand der Welt, Erzählungen und Essays, außerdem verschiedene intermediale Projekte in Verbindung mit Komponisten und bildenden Künstlern (z.B. das begehbare Gedichte, space poem) sowie literarische Projekte und essayistische Texte im Netz.
Ulrike Draesner wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Preis der Literaturhäuser (2002), dem Droste-Preis der Stadt Meersburg (2006), dem Solothurner Literaturpreis (2010), dem Roswitha-Preis (2013), dem Joachim Ringelnatz-Preis (2014 und dem Usedomer Literaturpreis (2015).
www.draesner.de
www.der-siebte-sprung.de
In Anmerkung 15 ihrer Münchner Rede zur Poesie verweist Ulrike Draesner auf ein Tondokument bzw. Video. Den Link dazu finden Sie hier: www.bildschirmarbeiter.com/video/xhosa_-_die_klicklautsprache/
Münchner Reden zur Poesie
Die Reihe widmet sich poetologischen Fragen und dokumentiert zugleich die Bedeutung, die der Dichtung in verschiedenen Bereichen der Gegenwartskultur zukommt. Die Reden werden ein- bis zweimal jährlich gehalten. Sie wurden begründet von Ursula Haeusgen und Frieder von Ammon und werden herausgegeben von Holger Pils und Frieder von Ammon.