Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Langsamer träumen! denke ich und sehe /
mich nach Deckung um
Aber vielleicht ist auch Gott, wie die Vernunft, /
nur für wenige.
Münchner Reden
Joachim Sartorius
Wie gehen Gedichte mit der zählenden, säbelnden, sichelnden Zeit um? Sind sie Beschwörungsformeln, letztlich zeitenthoben? Gelingt es Gedichten, das Vergehen von Zeit unbedeutend werden zu lassen? Und was bezwecken sie mit dieser Aushebelung von Zeit? Versuchen sie, das Akute, das Plötzliche in einen ewigen Augenblick zu verwandeln?
Anhand von Gedichtbeispielen von Ezra Pound, Gottfried Benn, Inger Christensen, Emily Dickinson und anderen geht Joachim Sartorius in seiner Münchner Rede zur Poesie diesen Fragen nach. Er kommt zu dem Schluss, dass ein Gedicht, das nicht antritt, der Zeit Fallen zu stellen, nicht wert ist, geschrieben zu werden.
Joachim Sartorius, geb. 1946 in Fürth/Bayern, studierte Rechtswissenschaften und Politische Wissenschaften in München, London und Paris. 1973 trat er in den Auswärtigen Dienst ein, wurde 1986 Leiter des Künstlerprogramms des DAAD, 1994 Abteilungsleiter für Kulturelle Angelegenheiten in der Berliner Senatsverwaltung und 1996 Generalsekretär des Goethe-Instituts. 2001-2011 leitete er die Berliner Festspiele. Darüber hinaus trat er selbst mit Gedichten hervor – zuletzt erschien der Lyrikband Für nichts und wieder alles (2016) –, gab u.a. die maßstabsetzende Anthologie Atlas der neuen Poesie (1995) und Niemals eine Atempause. Handbuch der politischen Poesie im 20. Jahrhundert (2014) heraus, übersetzte John Ashbery, Wallace Stevens, E.E. Cummings und Jacques Roubaud ins Deutsche und verantwortete als Herausgeber umfängliche Ausgaben von Malcolm Lowry und William Carlos Williams etc.
Münchner Reden zur Poesie
Die Reihe widmet sich poetologischen Fragen und dokumentiert zugleich die Bedeutung, die der Dichtung in verschiedenen Bereichen der Gegenwartskultur zukommt. Die Reden werden ein- bis zweimal jährlich gehalten. Sie wurden begründet von Ursula Haeusgen und Frieder von Ammon und werden herausgegeben von Holger Pils und Frieder von Ammon.