Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
„Beginne jetzt neu"
Nach- und Neudichtungen im Rahmen des Lyrik-Workshops „Zilp-Zalp“ am Staffelsee-Gymnasium Murnau 2024
Eine Gruppe von Schülerinnen und Schüler des Staffelseegymnasiums Murnau erarbeitet seit Jahren unseren Gedichtekalender Zilpzalp. Speziell für diese Gruppe konzipiert die Dichterin Andrea Heuser einen Workshop, in die Teilnehmenden eigene Gedichte schreiben.
Andrea Heuser zu dem Workshop: "Sowohl aus Krankheits- als auch aus organisatorischen Gründen konnten dieses Mal einige Schülerinnen und Schüler nur einmal teilnehmen; weswegen ich beschloss ein Thema zu wählen, in das man auch sehr gut auf unterschiedlichem Niveau einsteigen konnte (zumal wir diesmal eine Gruppe aus der Ober- und Mittelstufe waren).
Ausgehend von Rilkes Gedicht „Der Panther“, das wir zunächst eingehender besprachen, haben wir uns dann mit „Tiergedichten“ beschäftigt, die aber natürlich über eine reine bildliche Beschreibung des jeweils gewählten Tieres hinausgehen sollten. Für welche existentiellen Bewusstseinszustände steht dieses Lebewesen vielleicht symbolisch oder welche Eigenschaften sind von besonders metaphorischer Qualität und Aussagekraft? In welchem Verhältnis zum lyrischen Ich und/oder zur Welt steht das gewählte Tier? Was zeichnet es im besonderen aus?
Inspiriert von diesen Fragen entstanden dann in den ein bis zwei Doppelstunden wunderbare ausdrucksstarke „Tiergedichte“. Interessant ist, dass die Jugendlichen fast alle eine philosophische Betrachtungsebene gewählt hatten, was sich sehr trefflich etwa in dem Gedicht „(All-)Einheit“ von Marlene widerspiegelt, die ihren Betrachtungsgegenstand (Zugvögel) gar nicht konkret benennt; vielmehr lässt sich das Tier aus dem beschriebenen Daseinszustand herauslesen.
In der abschließenden Sitzung im Lyrik-Kabinett haben wir uns dann mit dem „Frühling“ als poetischer Spiel- und Ausdruckswiese beschäftigt: „Der Frühling lässt sein blaues Band“- Angeregt von Mörikes berühmtem Frühlingsgedicht haben sich die Jugendlichen mit Nach- und Umschriften von Frühlingsbildern oder Versen beschäftigt sowie auch gänzlich frei gedichtet; enstanden ist hier ein schöner bunter und höchst poetischer Strauß „Frühling“ .
Insgesamt war ich wieder einmal sehr beeindruckt von der hohen Qualität sowie von der Offenheit und Schreibfreude aller teilnehmenden SchülerInnen, die in der kurzen Zeit so viel Beachtliches geschaffen haben. Jedesmal fühle ich mich nach diesem Kurs selbst bereichert und beschenkt."
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Auch das Lyrik Kabinett sagt herzlich danke: Vor allem den jungen Dichterinnen und Dichtern für die Erlaubnis, ihre Gedichte veröffentlichen zu dürfen - der Projektleiterin Andrea Heuser für ihre so inspirierenden Impulse - und insbesondere Norbert Neumann vom Staffelsee-Gymnasium, der die Gruppe seit Jahren leitet.
I. Tiergedichte
Die Alpha
Die feine Nase
Das samtige Fell
Die spitzen Ohren
Die leuchtenden Augen
Die blitzenden Zähne –
Alles Zeichen einer wunderschönen Bestie
Ein samtiges Herz in einem Käfig aus Stahl
Der Käfig voller Blutrunst
Der Käfig des Stolzes
Und der Käfig des Leids
Weil der Tod unaufhaltbar ist.
Der Stolz und der Respekt
Den sie mit sich trägt
Lässt ihre Feinde erstarren.
Und wenn sie ihren anmutigen Nacken erhebt
Wenn sie den Mond anfleht
Erschüttert der trauernde Klang jedem das Mark
Der Klang der Sehnsucht, die man im Herzen spürt
Der Klang der Wut, die in einem lodert
Der Klang der Verzweifelung, weil Leben nicht für immer ist.
All dies spürt man im Flehen der Alpha.
Zoé
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Der Pinguin
Wenn er uns sehen könnte, im Eifer dünner zu werden, würde er uns auslachen mit seiner Ansammlung an Bauchfett, weil er unsere Probleme nicht verstehen kann. Während wir hetzen schneller, weiter höher zu kommen, watschelt er langsam, um Energie zu sparen und sicher an seinem Ziel anzukommen. Auch der Wunsch zu Fliegen verfolgt uns schon seit Ewigkeiten, doch der Pinguin hat es abgelegt, das Fliegen und wollte Schwimmen lernen. Ist er vielleicht klüger als wir? Wie die Natur es doch so oft ist. Oder bereitet er sich nur vor, auf eine Welle, die kommen wird, wenn die Pole schmelzen?
Juliane Diesler
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(All)Einheit
Der mächtige Regen treibt uns wieder in den Norden – Reiselust?
Unter unseren Bäuchen kratzen schroffe Spitzen an den Wolken.
Auf der anderen Seite drücken laue Lüfte uns herab.
Wir kleiden lebensgrünes Gras in Trauertracht.
Grün, grün, braun, blau – Frühling.
Wir suchen, wir finden – jetzt zu zweit.
Wir sind alle zu zweit – dann zu viert.
Dann sind wir gemeinsam – allein.
Wir fliegen, jagen Fliegen, spielen Wolke, bewegen uns als Eines.
Würde eines fehlen, wäre es, als fehle keines.
Wenn wir eine Himmelswoge sind, brechen wir nicht aus,
Wenn wir vor dem Frost gen Süden fliehen,
Kommen unsere Flügel aus dem Gleichtakt nicht heraus.
Ich aber bin alleine, weil mein Herz gegen unseren Rhythmus schlägt.
Marlene Hartmann
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II. Frühlingsgedichte
Frühlingsbeben
Ein Frühlingsspaziergang, ein Aufatmen gar,
ein Sinnen nach all dem was ist und was war.
Die Schönheit geht auf, die Knospe zerbricht,
doch zeitgleich zeigt jeder sein wahres Gesicht.
Es singen die Amseln, es tönt der Nachtigall Lied,
im Wald herrscht der Frieden, doch um uns der Krieg.
Im Tal strecken Blumen ihr Köpfchen nach vorn,
die Mehrheit zergeht in hilflosem Zorn.
Sie ballen die Fäuste: wo bleibt der Gewinn?
Die Wolken sie ziehen im Blauen dahin.
Ein Hauch schon von Licht, im Frost noch gefangen,
ich sehe das Kind, das um Zukunft muss bangen.
Sie sagen der Frühling bringt Frieden, bringt Glück,
sie seh’n nur die Ziele, der Weg bleibt zurück.
So ziehe ich weiter durch friedvolles Tal,
natürliche Schönheit und menschliche Qual.
Während um mich her die Welt aufblüht und bricht,
stell ich mir die Frage: wo in all dem bin ich?
Katharina Henckel
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So klein
Tausend Blumen blüh’n.
Neuer Anfang ist gesetzt,
wird alles anders?
Tausend Blumen blühn’n.
Doch von hier oben keine
Nur ein blauer Ball
In Unendlichkeit
Doch so präzise er kreist –
kaum Vollkommenheit.
Dreht sich um sich selbst.
Denkt er wär‘ so besonders –
Doch ist er es auch?
Maya Diesler
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Fluss
Da fließt er entlang
Ganz still und ungefährlich
Strich in der Landschaft
Er bildet Kontrast
Der Grund fürs Grün der Wiesen
Tiefblau liegt er da
Er ist gespalten
Auch im Inneren getrennt
Abgezweigt durch Stein
Juliane Diesler
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Abends
– Wenn alte Gedanken sich regen und tauen
und Worte sich paaren
Absurdes im Schatten zu sprießen sich traut.
– wenn geistige Würmer Ideen verdauen
und sinnlich erfahren
wie Inhalt verschlungen in Tümpeln sich staut.
Abends
– einsam verkrochen,
spür ich Frühling in mir
Oskar Mankau
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Frühlingsbach
Wasser fließt wieder
Sieh hinein – du siehst dich selbst
Beginne jetzt neu
Stürz dich in den Fluss
Was hast du zu verlieren?
Schwimm mit mir davon
Es ist nicht mehr gleich
Gewässer erweitern sich
werden groß wie Seen
Treiben bis zum Meer
weilen auf dem matsch’gen Schlamm
reichen bis zum Grund
Im warmen Wasser
– sicher, manchmal wirds auch kalt –
können wir bleiben
Wasser ist so tief
wie unsre Sehnsucht
woanders zu sein, nicht hier
Man erreicht sein Ziel
durch das viel dafür kämpfen
Also springe nun
Platsch – endlich springst du
Mach dich gefasst auf Neues
Beginne jetzt neu
Mia Mantel
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Die Natur sagt „Ja“
„Ja“ für das Blühen der Blumen.
„Ja“ für das Gesumme der Bienen.
„Ja“ für das Gezwitscher der Vögel.
„Ja“ für herumfliegende Insekten.
„Ja“ für Sonnenschein.
„Ja“ sagt die Natur für Frühling.
Sophia v. Bullion
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Märzmorgen
Die Welt in einem Tautropfen,
Sie erwacht und mit ihr der Wald,
Bald siehst du, wenn der Tropfen platzt,
Den blauen Himmel unversehrt,
Aufbruchsfreudig, die neue Welt
in den Goldrausch fallen.
Paulina Thömmes